Ich bin nicht nach Dubai gekommen, um wieder Winter zu haben. Ich will Wärme und keine Kälte, ich will Sonne und keinen Schnee. Ich will hier nicht frieren – aber ich könnte es. Denn in der Mall of the Emirates gibt es ein Skiparadies mit echtem Schnee, echten Skipisten, einer Rodelbahn und allerlei anderen Wintervergnügungen. Aber braucht man das wirklich? Ist das nicht wieder so etwas typisch Verrücktes, was sich nur reiche Araber ausdenken können?

Ich muss gestehen, dass ich diese Meinung hatte, bevor ich die Mall of the Emirates besuchte. Warum sollte man in einem Land, in dem Temperaturen von über 40 Grad Celsius normal sind, Winter spielen? Das ist doch völlig durchgeknallt, sinnlos und überflüssig.

Ich habe mir Zeit genommen und das Skiparadies „Ski Dubai“ angeschaut. Natürlich nur von außen, also durch die großen Fenster, von denen es reichlich gibt. Von zwei Stockwerken aus kann man in die Halle mit über 22.000 qm hineinschauen. Ein Ticket kostete heute 200 Dirham, also ungefähr 50 Euro. Dafür bekommt man Winterkleidung, Skischuhe und Handschuhe und einen Helm, der für Kinder vorgeschrieben und für Erwachsene freiwillig ist. Warme Bekleidung ist notwendig, denn in der Halle waren es -3 Grad. Zu kalt für die sommerliche Kleidung, die hier jeder trägt.

Was ich dann sehen konnte, zwang mich, mein Vorurteil zu korrigieren. Ich sehe Kinder und Erwachsene, die vergnügt und lustig durch den Schnee toben. Väter ziehen fleißig die Schlitten ihrer Sprösslinge, auf der Piste flitzen einige sehr geschickte Skifahrer im Slalom den Abhang hinunter. Ein Snowboardfahrer kämpft mit dem Gleichgewicht, fällt und steht sogleich wieder auf für einen neuen Versuch. Die niedliche Bobbahn wird auch von Erwachsenen benutzt. Gleich daneben gibt es das Schneekarussell, wo sich die Jüngsten im Kreis ziehen lassen können. Die Menschen lachen, fotografieren sich unentwegt gegenseitig und haben sichtlich Spaß.

Mich hat diese Ausgelassenheit berührt. Es mag ja sein, dass solch eine Winteranlage in einer Wüstenstadt dekadent ist. Aber wenn Menschen aller Kulturen darin so viel echte Freude haben, dann brauche ich nicht mehr zu diskutieren, dann ist das einfach nur in Ordnung.

Die Mall selbst war lange Zeit eine der größten in Dubai. Inzwischen ist sie mir ihren etwa 400 Geschäften und Restaurants nur noch an dritter Stelle. Hochpreisige Mode dominiert. Ob mir davon alles gefällt, ist eine andere Frage. Auf jeden Fall ist heute, also am zweiten Tag des Wochenendes in Dubai, die Hölle los. Familien und ganz viele Pärchen sind hier. Es wird ausgiebig gebummelt, geschaut, gekauft. Kosmetik spielt eine große Rolle. In der zentralen Galerie gibt es einen Stand, wo sich die Frauen schminken lassen können.

Soll ich noch einmal sagen, dass modetechnisch alles zu sehen ist? Hier ist Dubai, jeder kann anziehen, was ihm beliebt. Der Hinweis am Eingang der Mall, bitte angemessene Kleidung zu tragen, spielt keinerlei Rolle. Hier geht man hin, um sich zu zeigen und gesehen zu werden. Man will Spaß haben, sich amüsieren und ganz viele Erinnerungsfotos machen mit der Skipiste im Hintergrund oder den weiten Gängen der Mall. Jeder fotografiert seinen Partner, seine Freunde.

Auch ich stehe auf einem der Übergänge, die über die zentrale Galerie führt, und fotografiere die imposante Kuppel. Ein Mann der Security kommt zügig auf mich zu. „That’s not allowed. It’s a professional camera.“ Aha, da hat man mich also erwischt. Ich habe wieder einmal eine neue Grenze kennengelernt. Ich habe schuldbewusst meine Kamera eingesteckt, was nicht weiter schlimm war, denn ich hatte längst fotografiert, was ich an dieser Stelle fotografieren wollte.

Da wir unter uns sind, kann ich ja gestehen, dass ich mich an dieses Verbot nicht weiter gehalten habe. Ich habe nur auf „Saudi-Arabien-Modus“ umgeschaltet. Der geht so: Völlig unbeteiligt schauen, aber hellwach im Inneren. Nach der Security schauen, das Motiv identifizieren. Der Griff in die Fototasche, die Kamera ans Auge setzen, Ausschnitt und Schärfe kontrollieren, ein- oder zweimal auslösen – und schon ist die Kamera wieder in der Tasche verschwunden. Ich selbst bin so unbeteiligt wie zuvor, zeige keine Regung, nehme keinen Augenkontakt auf. Ich tue so, also ob überhaupt nichts stattgefunden hat. Wer meint, dass ich gerade fotografiert haben könnte, darf sicher sein, eine Illusion gehabt zu haben. Oder etwa doch nicht?

Zur Beruhigung sei gesagt, dass ich vorher schon einmal von einem Security-Mann beim Fotografieren beobachtet worden war. Er hatte nicht einmal die Spur einer Bemerkung gemacht, sondern mir auf eine Frage nach der Skihalle überaus höflich geantwortet. Vielleicht war es also doch nicht so schlimm, was ich da gemacht habe.

Dass hinter der Zurechtweisung eine Frage fotografischer Identität versteckt ist, habe ich dem Wachmann nicht näher erläutert. Was macht einen Fotografen zu einem Profi? Das technische Gerät namens Kamera? Dann wäre es ja kinderleicht, ein Profi zu werden: Geld sparen, teure Kamera kaufen und ab geht die Post. Aber so ist es nun mal nicht. Das Fotoprofidasein hängt nicht an der Größe der Kamera, sondern an den Bildern, die man macht, und dass man das nicht nur als Hobby, sondern in einem beruflichen Zusammenhang betreibt. Finde ich jedenfalls. Über das urheberrechtlich relevante Thema der Gestaltungshöhe hatte ich mit dem Wachmann übrigens auch nicht gesprochen. War wahrscheinlich auch gut so.

Irgendwann wollte ich keine Geschäfte mehr sehen, keine Mode, keine Gänge, keine Läden. Ich habe mir einen kleinen Thai-Imbiss gesucht und dort etwas gegessen, wie jeder andere normale Mensch auch. Cappuccino gab es aber dann im vornehmen Café zwei Gänge weiter.

Mehr Fotos gibt es in meinem Facebook-Album
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