Die Veränderungen in diesem streng muslimischen Land geschehen im Alltag. Wer durch die Geschäfte oder die Malls geht, sieht in einer gewissen Hinsicht auch nichts anderes als in westlichen Ländern. Menschen unterschiedlichster Herkunft, Kinder die herumtollen, sich knuffen und necken. Ok, die Frauen tragen die schwarze Abaya. Aber ist sie wirklich nur schwarz? Nein, schon lange nicht mehr. Kunstvolle Applikationen, farbige Bordüren, gelegentlich auch in sanften Brauntönen. Einige Frauen sind gänzlich verschleiert, bei einigen sieht man nur die Augen, andere zeigen das ganze Gesicht, wieder andere haben das Kopftuch keck ein wenig zurückgeschoben, so dass man eine halbe Handbreit Haare sieht. Manche Frauen tragen gar kein Kopftuch.

Heute Abend war ich mit einem Teilnehmer meiner Seminare in eine der vornehmen Malls gefahren, weil er ein bestimmtes Parfüm kaufen wollte. Zu unser beider Erstaunen standen in dem edel ausgestatteten Laden etliche Frauen als Verkäuferinnen. Sie nahmen freundlichen Blickkontakt auf und berieten Männer wie Frauen. Es war alles sehr normal und entspannt.

Vor ein paar Jahren wäre das kaum möglich gewesen. Vielleicht ist es auch nur in Jeddah so. In diese Stadt am Roten Meer kommen jährlich zwei bis drei Millionen Pilger aus aller Welt. Man ist hier offener, unkomplizierter. In der Hauptstadt Riyadh ist vieles weitaus strenger geregelt.

Ich bin gespannt, wie sich dieses Land weiterentwickelt. Viele junge Menschen sind gebildet und gut erzogen. Sie wollen in diesem Land bleiben, auch wenn sie schon in anderen, auch westlichen Ländern waren oder dort studiert haben. Die jungen Menschen stellen die Mehrheit. Ich wünsche ihnen, dass sie es schaffen, ihre Kultur zu bewahren und zugleich sich zu öffnen für andere Ideen. Diese müssen ja nicht übernommen werden. Es reicht schon, sich frei zu entscheiden, zum Beispiel dafür, bestimmte Dinge so zu lassen, wie man sie gelernt hat.

Nur weil sich die Menschen voneinander unterscheiden und zu unterschiedlichen Lebensformen finden, ist es spannend, ihnen zu begegnen. Wären alle gleich: wie langweilig.

Kleiner Nachtrag zum Autoverkehr:

Morgens gegen acht Uhr. Verstopfte Straßen gehören zum Standard.

Morgens gegen acht Uhr. Verstopfte Straßen gehören zum Standard. Jeder fährt ein Auto. Anders kann man sich in dieser Stadt auch nicht wirklich fortbewegen.

Der gleiche Blick aus meinem Hotelfenster, nur gegen 20 Uhr. Noch immer sind die Straßen voller Autos.

Wenn man eine der großen Straßen überqueren will, sollte man sich  beeilen. Es gibt zwar Zebrastreifen, aber sie haben keinerlei Bedeutung. Wegen eines Fußgängers hat noch nie ein Auto angehalten. Also heißt es flink zu sein.