Normal ist das nicht. Jedenfalls nicht in Dubai. Oder vielleicht sogar überhaupt nicht in dieser Region. Aber auf keinen Fall in Dubai. Das macht man hier nicht. Und wenn doch, dann nicht lange. Aus dem Haus raus, ins Auto, in die Mall, dort herumschlendern, ins Restaurant, ins Auto, nach Hause, TV schauen. Basta. Aber nicht so saudumme Gedanken haben wie ich gestern.

Mein Plan war einfach: Ich fahre mit der Metro nach Dubai Marina. Das ist ein modernes Stadtviertel mit vielen Jachtclubs, Jachthäfen; Strand und Promenade, wo man sich in ein nettes Café oder ein Restaurant setzen kann. Dann gehe ich am Strand ein paar harmlose fünf Kilometer entlang bis zum berühmtesten und nobelsten Hotel der Welt, dem Burj al Arab. Klingt doch vernünftig, oder? Schließlich hatte ich Zeit. Der Freitag ist in Dubai der erste Tag des Wochenendes.

Ich brach gegen drei Uhr auf. Schlappe gefühlte 44 Grad Celsius draußen und eine so hohe Luftfeuchtigkeit, dass meine Kamera nach dem ersten Herausnehmen aus der Tasche fünf Minuten brauchte, um nicht mehr zu beschlagen. Das zehnmal Objektivabwischen mit eingerechnet. Ich war der einzige Mensch auf dem Weg zur Metro.

Marina ist auf den ersten Blick ein merkwürdig aufregender Stadtteil, zumindest architektonisch. Zahllose schlanke Hochhäuser mit fünfzig oder mehr Stockwerken umstehen den Hafenbereich. Viele davon mit interessant geformten obersten Stockwerken: Dachlandschaften mit arabischen Verzierungen und Elemente aus der traditionellen Baukunst, riesige Bögen, die sich zu Kuppeln formen oder hutähnliche Aufbauten. Der zweite Blick offenbart, dass nicht alle diese Häuser bewohnt zu seien scheinen. Riesige Telefonnummern auf den Fassaden sollen Interessenten anlocken. Etliche Bauruinen verharren im Stillstand. Die Kräne rosten vor sich hin, Bauzäune neigen sich bereits erschöpft und verdecken nur notdürftig das Chaos dahinter. An anderen Stellen wird jedoch weitergebaut. An einem Wohnturm wie ein verdrehter langer Quader wird eifrig gewerkelt.

Ich schlendere gemächlich die Promenade am Jachthafen entlang. Auf meiner Haut stehen die Schweißtropfen dich an dicht. Mein T-Shirt ist vollkommen durchgeweicht. Nein, es liegt nicht an meiner Laufkondition. Es ist so schwülheiß, dass nur völlig bekloppte Deutsche hier während der Nachmittagshitze herumlaufen.

In einem Café finde ich Kühle. Der Cappuccino kostet umgerechnet 4,50 Euro, das Sandwich 10,50 Euro. Üppige Preise, finde ich, auch wenn ich an der Qualität nichts zu meckern habe.

Doch ich will jetzt endlich die Palmeninsel „Palm Jumeirah“ sehen. Es ist die erste künstliche Inselanlage in Dubai, die inzwischen zu etwa 95 % bewohnt ist. Ich hatte den Tipp bekommen, dass man vom Marriott Hotel eine gute Aussicht auf die Insel habe. Dort gibt es in der Tat im 52. Stockwerk ein Restaurant und eine Bar, von wo man eine prächtige Aussicht hat. Als ich aus dem Aufzug trete, begrüßt mich Stimmengewirr und ausgelassenes Sprechen. Ich bin mitten in eine Feier, wahrscheinlich von Abschlussstudenten, geraten. Ich bleibe dezent und nutze die freien Plätze am Fenster, um den Blick schweifen zu lassen. Irgendwann auf meinem Fensterrundgang spricht mich ein junger Mann an. Seine Augen sind glasig, die Sprache schwerfällig. Er sitzt wohl schon länger in der Bar, die Zigarette qualmte lässig in seiner Hand. Irgendwie hatte ich völlig vergessen, dass man ja in Dubai Alkohol trinken kann. Ich gestehe, dass ich die Konversation schnell beendete. Auf diese Art von Gespräch habe ich nämlich nicht die geringste Lust. Zu viel Gelangweiltheit.

Die einzelnen Palmenwedel der Insel sind dicht mit Einfamilienhäusern besiedelt. In der Mitte ist die Straße, dann eng aneinandergekuschelt die Häuser. Jedes hat seinen eigenen Strand. Auch ein schöner Komfort, zumal die Wassertemperatur hier angenehm warm ist.

Doch ich will zum Burj al Arab. Auch ich will einmal dieses berühmte Hotel mit eigenen Augen sehen und ein paar Fotos machen. Es gibt davon zwar schon zehn Millionen oder mehr, aber – egal. ich will halt auch eines selbst machen.

Der Fußweg dorthin startet beim Marriott. Schon oben hatte ich geschaut, wie ich zum Strand komme, um dort entlang zum Hotel zu gehen. Ich war ratlos geblieben. Die Hilflosigkeit wurde nicht geringer, als ich auf der Straße stand. Private Jachtclubs und Hotels verstellen den Zugang zum Strand: „Private“. Ok, kein Problem, gehe ich halt weiter. Von Bürgersteigen keine Spur, dafür Sandwege. Oder so etwas Ähnliches.

Dann schließlich auch die nicht mehr. Selbst die Straße gibt es nicht mehr. Sie ist zu einer gigantischen, chaotischen Baustelle mutiert. Sperren verhindern, dass man auf die andere Seite kommt. Was mir aber auch nichts nützen würde, denn dort gibt es auch keinen Weg für Fußgänger. Schließlich stehe ich vor einer riesigen Kreuzungsanlage. Ganz in der Ferne sehe ich bereits das Burj al Arab. Ich mache noch ein paar aussichtlose Versuche, einen Weg zu finden, dann kapituliere ich. Ein Taxi fährt mich zu meinem Ziel. Für Fußgänger wäre diese Strecke definitiv nicht geeignet gewesen.

Das Burj al Arab hat, was seine Außenansicht bei Tage betrifft, das Erstaunliche verloren. Inzwischen gibt es auch andere ausgefallene Architektur. Zum Hotel selbst kann man nur kommen, wenn man dort etwas zu erledigen hat oder dort wohnt. Freundliche Securities schützen vor Neugierigen. Auf den genau daneben liegenden Vergnügungspark habe ich keine Lust. Schließlich will ich endlich ans Meer.

Ich gehe einige Hundert Meter, passiere ein weiteres riesiges Hotel – natürlich mit Privatstrand – und bin endlich dort, wo ich hinwollte: am öffentlichen Strand.

Was ich hier sehe, unterscheidet sich nur schwach von dem, was sich an vielen Stränden dieser Welt abspielt. Ein buntes, munteres Gemisch von Menschen aller Art und Kultur. Die Badebekleidung reicht von knappen Bikinis über Badeanzüge, Shorts, T-Shirts bis zur Abaya (dem schwarzen Umhang, den alle Frauen in Saudi-Arabien tragen) mit Kopftuch. Einzelne Menschen, Pärchen, Freundesgruppen und Familien. Alle friedlich miteinander, die Eigenheiten des anderen werden entspannt übersehen. Eine lebendige Toleranz.

Ich habe mir ein ruhiges Plätzchen gesucht und gewartet, bis die Dunkelheit kommt. Ich wollte das Burj al Arab mit seiner kitschigen Beleuchtung sehen und dann natürlich fotografieren. Habe ich auch gemacht.

Erst als am Strand zurückgehe, um ein Taxi zu finden, fällt mir etwas auf: So fröhlich und munter die Menschen sind, eines ist ganz anders als an deutschen Stränden: Die Menschen berühren sich nicht, die Pärchen stehen und sitzen nebeneinander. Dass sie Händchen halten, habe ich nicht bewusst wahrgenommen. Erst die Dunkelheit schenkt ihnen die Zärtlichkeit zurück. Dann sehe ich ein paar nette Umarmungen oder wie eine junge Frau mit Abaya und Kopftuch mit ihrem Mann im Wasser herumtollt und sie Schabernack miteinander treiben. Alles ganz dezent, aber wenigstens mit (körperlichem) Bezug aufeinander. Jetzt fällt es mir wieder ein: In der Dubai Mall gab es Hinweise: „Küssen verboten“. Das gilt mehr oder weniger für das ganze Land. In diesem Moment spüre ich, dass ich in Arabien angekommen bin. Zärtlichkeiten gehören nicht in die Öffentlichkeit. Die will man nicht sehen und soll man nicht zeigen.

Was habe ich heute gelernt?

1. Die teuren Jachten sieht man nicht, denn sie liegen in exklusiven Jachtclubs, die nur für Befugte geöffnet sind.
2. Die teuren Hotels kann man nur von der Ferne anschauen – oder man hat 1300 Euro pro Nacht übrig, um sich im Burj al Arab das preiswerteste Zimmer leisten zu können.
3. In Dubai geht man nicht zu Fuß – es sei denn, man ist etwas verrückt.

Mehr Fotos gibt es in meinem Facebook-Album unter
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