Schnell noch mal nach Saudi-Arabien fliegen – als wäre es nur eine kleine Reise nach München. Eine Checkliste fürs Kofferpacken garantiert, dass nichts vergessen wird. Flughafen Frankfurt und dann Jeddah: alte Bekannte. Diesmal werde ich in Jeddah von einem Fahrer abgeholt, der brav gewartet hat, bis ich Paß- und Zollkontrolle passiert habe. Den Weg zum Hotel würde ich inzwischen selber finden können.
Heute stand die Altstadt auf meinem Programm. Balad, so heißt dieser Stadtteil, hat einen besonderen Charme. Er ist das pralle, selbstverständliche Alltagsleben. Die Menschen kommen hierher, weil sie etwas einkaufen wollen, weil sie durch Geschäfte bummeln oder etwas essen wollen. Oder sie wohnen hier. Dann sitzen sie, also die Männer, an den Straßen, auf Randsteinen oder Treppenabsätzen. Es wird geplaudert, gelacht, gelegentlich gestritten. Wie überall auf dieser Welt.
Auch sonst ist alles normaler, als man es sich von Saudi-Arabien vorstellt. Es gibt viele Frauen, die auf den breiten Bürgersteigen und in den Fußgängerzonen Waren aufgebaut haben, die sie verkaufen. Andere fertigen Besen an, verkaufen Wasserflaschen oder Kinderspielzeug. Frauen gehen alleine oder in Gruppen durch die Straßen, in der Hand den Einkaufsbeutel wie überall auf der Welt. Sie steigen alleine in ein Taxi – und tun gut daran, dem Fahrer barsch die Anweisung zu geben, damit er erst gar nicht auf dumme Gedanken kommt.
Als ich gegen 17.30 Uhr dort eintreffe, sind zwar schon viele Menschen auf den Straßen, aber wirklich bunt und munter wird es erst nach der letzten Gebetszeit kurz nach 20 Uhr. Wenn der Muezzin sich laut aus der Moschee meldet, gehen die Lichter in den Geschäften aus und die großen Rolltore werden geschlossen. Dann eilen die Menschen in eine nahegelegene Moschee, um zu beten. Da man eine Moschee immer ohne Schuhe betritt, stapeln sich diese recht lustig in ansehnlicher Anzahl vor und um den Eingang. Die Schuhregale reichen bei weitem nicht aus, um alle aufzunehmen.
Aber viele folgen dem Muezzin auch auf der Straße. Sie haben ihren kleinen Gebetsteppich ausgebreitet oder nutzen die Matten, die schnell ausgerollt wurden. Dann verrichten sie ernst und in sich gekehrt das vorgeschriebene Gebet – und hinter ihrem Rücken tobt weiter der Verkehr und hupen die Taxis ungeniert.
Ich saß derweil ganz entspannt auf einer Steinmauer, schaute dem Selbstverständlichen zu und machte mir so meine Gedanken über das Leben im Allgemeinen. Kaum ist die Gebetszeit vorbei, rasseln die Rolltore wieder hoch, die Lichter gehen an, die Lokale verströmen köstliche Gerüche und die Menschen eilen genauso wie zuvor durch die Gassen. Die Taxis hupen enthusiastisch, was am Verkehrschaos aber nichts ändert.
Balad ist der Stadtteil der Gegensätze. Es gibt sehr moderne Gebäude, allerlei Einkaufszentren, die traditionellen Souks und viele doch recht verfallene Häuser. Ich frage mich manchmal, ob darinnen jemand wohnt. Gelegentlich sieht man Lichter hinter den Holzvertäfelungen der Fenster. Dann startet meine Phantasie. Sie verwandelt diesen Stadtteil durch behutsamen Wiederaufbau und achtsame Restaurierung in ein urbanes Schatzkästchen. Wie gerne würde ich das erleben – aber ich weiß, dass dazu zwar der Wille der Stadtverwaltung besteht. Doch die Realität wird auf Jahre hinaus noch ganz anders sein. Darum genieße ich hier das Alltagsleben, das so ganz anders ist als in Deutschland – etwas freier, etwas lebendiger, etwas ungeordneter.