Falls die Geschichte wahr ist, ist sie erhellend: Ein Friseur in London nutzte ein Foto von Machthaber Kim Jong Un, um auf seine Leistungen hinzuweisen. Doch statt Kunden, kommen zwei Herren in sein Geschäft. Angeblich seien sie von Nord-Korea beauftragt, die aus ihrer Sicht unverschämte Werbebotschaft zu beenden. Meine Frage: Wie viel Humor verträgt eine Diktatur?

NORTH KOREAN EMBASSY TARGETS KIM JONG UN DISCOUNT DEAL

Die Antwort ist klar: keinen Humor. Humor geht gar nicht. Humor passt in keiner Weise zu Kontrolle.

Humor setzt auf Distanz, auf Übersicht, auf Freiheit, auf Spielräume. Humor stellt in Frage, setzt sich ab, erzeugt Perspektiven, die vorher nicht gesehen wurden.

Nordkoreas Machthaber tut, glaubt man den Medien, derzeit alles, um solche Freiräume zu verhindern. Er setzt auf totale Kontrolle im eigenen Land. Jedenfalls gibt es keine Hinweise darauf, dass es anders ist. Im Gegenteil. Wer nicht linientreu ist, wer nicht mitjubelt und den großen Führer verherrlicht, muss mit Lagerhaft oder Tod rechnen. Kim Jong Un scheut sich nicht davor, sein Volk hungern zu lassen, um stattdessen eine militärische Macht aufzubauen und zu erhalten, die sich dieses wirtschaftlich schwache Land eigentlich nicht leisten kann.

Ich nehme an, dass im Alltag der Menschen in Nordkorea durchaus der Humor eine Rolle spielt, wenigstens eine kleine. Ich hoffe es inständig, denn wie sonst sollte man diese Diktatur aushalten, wenn nicht durch Humor. Die Witze in der DDR hatten eine befreiende Wirkung. Zugleich waren sie Blitzableiter für Unzufriedenheit, weshalb sie staatlicherseits geduldet wurden – sofern sie nicht bestimmt Grenzen überschritten.

Will man Gemeinschaften; Staaten oder Gruppierungen bezüglich ihres Freiheitspotentials beurteilen, kann man sich immer fragen: Wieviel Humor ertragen sie, wenn sie selbst Ziel des Humors sind?

Ein Mann wie Putin zeigt dabei wenig Spielraum. Ich vermute sogar, dass viele Russen zurzeit über Putin-Witze nicht wirklich lachen können. Vielmehr werden sie als Frechheit und unzulässige Herabsetzung erlebt. Ein Erdogan dürfte das nicht anders sehen. Auch Religionsgemeinschaften benehmen sich in Sachen Humor ziemlich einfallslos: Man ist schockiert, wütend, fühlt sich erniedrig und herabgesetzt.

Warum eigentlich? Weshalb fällt es so schwer, über sich zu lachen – selbst über Sachen, die einem wichtig und wertvoll ist? Sollte nicht gerade eine tiefe Überzeugung mir die Chance geben, humorvolle Anmerkungen mit entspannter Überlegenheit zu beantworten? Doch stattdessen ist man beleidigt, fühlt die eigene Schwachheit und weiß instinktiv, dass der andere das auch weiß: Ich kann nicht mitlachen, weil ich schwach bin.

Wenn Kim Jong Un souverän wäre, würde er vielleicht dem Londoner Friseur eine Grußkarte schicken, auf die er ein kleines Büschel eigener Haare aufgeklebt hätte. Seine PR-Abteilung könnte das dick aufplustern und ihn als großmütig darstellen. Putin hätte Pussy Riots einladen können, auf dem Roten Platz ein Konzert zu spielen. Erdogan hätte eigene Videos auf Youtube stellen können. Oder sie hätten alle einfach gar nicht reagiert, denn dann hätte niemand in der großen weiten Welt vom kleinen Friseur in London erfahren.

Wer Humor verbietet, hat Angst. Wer Angst hat, ist schwach. Wer sich schwach fühlt, ist gefährlich und droht sogar mit Atombomben.

Man kann über Humor aber auch lachen – jedenfalls wenn man stark ist.