Wenn im Landkreis Gotha ein Lokal-Fernsehsender den Betrieb aufnimmt, ist das keine Nachricht, die bundesweit Aufsehen erregen wird. Auch dass man ihn zusätzlich in einigen angrenzenden Kreisen sehen kann und damit mehr als 50.000 Haushalte erreicht, steigert nicht den Nachrichtenwert. Warum aber ist dieser Beginn trotzdem eine Sensation?
Die Möglichkeit, einen Fernsehsender über das Kabelnetz zu eröffnen und parallel bestimmte Beiträge auch über einen Youtube-Kanal im Internet zu verbreiten, ist in vielen anderen Ländern dieser Erde einfach nicht möglich. China? Fehlanzeige. Russland? Fehlanzeige? Nordkorea? Totale Fehlanzeige. Türkei? Ganz sicher nicht. Alle autoritär beziehungsweise diktatorisch geführten Länder – und es gibt noch ein paar mehr als die genannten – mögen Journalisten nicht, wenn diese selbst denken, selbst recherchieren und mutig veröffentlichen. Für sie sind Journalisten Feinde, Verräter, Nestbeschmutzer oder Fake-news-Produzenten.
In der Türkei werden kritische Journalisten eingesperrt in der Hoffnung, dass sie dann vergessen werden. In Russland ist man nicht zimperlich und lässt auch schon mal Journalistinnen oder Journalisten ermorden. Ansonsten erscheinen auch Schauprozesse geeignet, die natürlich nicht so genannt werden. Über Nordkorea wissen wir einiges, aber nicht wirklich viel. Aber eine freie Presse, die gibt es garantiert nicht.
Also gut, das findet so nicht in Deutschland statt. Haben wir aber wirklich eine „freie Presse“? Werden die Journalisten nicht doch heimlich von Meinungsmanipulatoren gelenkt, von Chefredakteuren unter Druck gesetzt, von einer vielleicht sogar aus dem Geheimen heraus operierenden Macht indoktriniert? Was wäre, wenn unsere Verschwörungstheoretiker doch Recht hätten, die von Meinungskartellen flüstern?
In dieser verzwickten Lage kommt ein kecker Verleger namens Maik Schulz aus Gotha daher. Vor Jahren gründete er schon eine Zeitung, die einmal im Monat kostenfrei erscheint: Oscar am Freitag. Warum gerade Oscar? Weil Oscar frech ist, frech wie Oscar eben.
Seit 8. Februar 2018 hat er sich noch einen Fernsehsender gegönnt: Oscar-am-Freitag-TV.
Maik Schulz ist unabhängig. Er selbst ist der Eigentümer seines Unternehmens. Er ist kein Büttel eines Kartells, keines Medienkonzerns. Er macht feinen Journalismus, zusammen mit Mitarbeitern und freien Journalisten. Im Oscar lässt er Stellung beziehen, ist streitbar, recherchiert genau. Wenn Meinungen zu weit auseinandergehen, druckt er auch schon mal beide. Einfach so. Weil er und seine Mannschaft es wollen.
Oder etwas allgemeiner: In Deutschland kann man einen Fernsehsender gründen und betreiben, ohne dass irgendjemand Einfluss von außen auf die Inhalte nimmt. Wir können munter drauflosschreiben und dahersenden. Einzig das Strafrecht begrenzt, aber die davon gesetzten Grenzen zu überschreiten würde auch ein gesunder Menschenverstand eigentlich verhindern. Man darf sogar gegen die Regierung wettern, die Demokratie bekloppt finden – obwohl genau die ja diese Art der Meinungsfreiheit deckt – oder überhaupt so allerlei Unsinn verbreiten. Verschwörungstheorien zum Beispiel.
Das alles kann man in Deutschland einfach tun. Das Wort „einfach“ verwende ich dabei sehr bewusst. Es gibt nur niedrige Hürden, um seine Meinung zu veröffentlichen.
Oscar-am-Freitag-TV ist eine neue Möglichkeit. Zugegeben mit überschaubarer Reichweite. Na und? Für mich zählt das Prinzip. Die Sendungen sind so lang, wie das Thema es aushält. Es gibt kein festgelegtes Schema, es gibt nur Inhalte. Das kann gut gehen oder manchmal auch nicht. Das werden wir sehen.
Wir? Wieso wir? Ich bin mit in diesem Team, das munter zwischen Professionalität, Recherche, Anarchie, Spaß, Ernsthaftigkeit, Hartnäckigkeit, Neugier, Information, Leidenschaft hin- und herspringt. Wir werden Erfahrungen machen, Enttäuschungen erleben, Glanzpunkte setzen, vielleicht etwas bewegen, zumindest uns selbst, Widerstand bekommen, Vorwürfe und Besserwisserei, echte Unterstützung und vielleicht sogar Fans. Fans, die Meinungsfreiheit prima finden.
Für alle die machen wir es – und für uns auch.
Im Kabelnetz zu empfangen und im Internet im Youtube-Kanal oder auf Oscar-am Freitag.
Maik Schulz
11. Februar 2018, 22:20 Uhr
Lieber Bernd,
genauso ist es.
Pressefreiheit ist ein hohes Gut.
Danke für deine Zeilen!
Machen wir weiter :-)!
Adrian Weber
12. Februar 2018, 07:45 Uhr
Danke für diese sehr gute Einordnung, Herr Dr. Seydel! Des Wertes der Meinungs- und Pressefreiheit sind sich – zumindest gefühlt – viele (zu viele?) Menschen kaum mehr bewusst. Und dabei müsste man nur knapp 30 Jahre zurückdenken … Ich wünsche viel Erfolg mit dem Projekt!