Zurzeit wird das Urheberrecht in Deutschland neu verhandelt. Doch statt Verbesserungen für die Urheber – Künstler, Fotografen, Journalisten usw. – drohen Verschlechterungen. Soweit die Tatsachen. Was aber jetzt ans Tageslicht kommt, sollte alle Smartphonebesitzer aufhorchen lassen. Warum?
Fangen wir ganz von vorne an: Ich selbst bin auf Fototour für einen Auftraggeber. Das ist ganz ok, denn ich habe mit ihm alle Bedingungen vorher besprochen und geregelt. Als ich vor einer Sehenswürdigkeit stehe, die ich dokumentieren möchte, werde ich angesprochen: „Können sie ein Foto von uns machen?“ Drei ältere Damen lächeln mich an. Ich will schon zu meiner Kamera greifen, weil ich auf einen lukrativen Zusatzjob spekuliere, da drückt mir die eine Dame ihr iPhone in die Hand und kuschelt sich mit ihren beiden Freundinnen zusammen.
Da zucke ich zusammen. Durch die Urheberdebatte wachgerüttelt, frage ich mich, was ich jetzt tun soll: dem Wunsch nachgeben oder ablehnen? Probleme schaffen oder als unfreundlich angesehen werden?
Denken wir doch mal ganz nüchtern nach: Ich bekomme ein Handy von jemandem, den ich nicht kenne, für eine kurze Zeit geliehen? Ausgehändigt? Zur Verfügung gestellt? Ich nehme es an, fotografiere die drei Grazien. In dem Moment habe ich doch Urheberrechte für mich erzeugt. Ich bin der Urheber dieses Fotos, das ich mit einer Kamera gemacht habe, die mir nicht gehört.
Muss ich Eigentümer des Aufnahmeapparats sein, um Urheberrechte zu erzeugen? Mein Laienverständnis sagt nein, denn wenn ich mir für einen Auftrag eine Kamera von einem Verleiher besorge, dann bleiben die damit geschossenen Bilder ja auch meine. Für die Ausleihzeit bin ich Besitzer der Kamera, nicht aber Eigentümer. Diesen Unterschied habe ich verstanden.
Zurück zu den Damen. Ich mache das Foto wie erbeten. Die Urheberrechte daran habe ich automatisch miterzeugt. Angenommen, die drei verschwinden, veröffentlichen das Foto und weil es so toll oder irgendetwas daran spannend ist, verkaufen sie es an eine Agentur und verdienen Geld damit. Und ich? Ich blöder Depp habe nichts davon, weil ich einfach nur freundlich sein wollte.
Also habe ich den Dreien gesagt: „Ja, ich mache das Foto, aber da ich die Urheberrechte daran habe, verbiete ich ihnen die Nutzung. Sie dürfen es weder weitergeben, auch nicht kostenfrei, und schon gar nicht auf Facebook oder ähnlichen Plattformen veröffentlichen.“
Drei ratlose, hilflose, erschrockene Gesichter schauten mich an. „Wir wollten sie doch nur bitten, …“ stammelte die eine. Ich lächelte beruhigend, nahm das Handy, machte drei Aufnahmen und erntete Lob: „Demnächst sollten wir immer einen Profi fragen. Schau mal, wie schön das geworden ist.“
Ich wünschte noch einen schönen Abend und ging.
Zurück bleiben viele Fragen. Wer kümmert sich um die millionenfache Verletzung des Urheberrechts? Und dann geht es noch weiter: Wenn ich eine Kamera auf ein Stativ stelle, sie ausrichte, alles richtig einstelle, mich selbst davor postiere – und jetzt jemand bitte, den Auslöseknopf zu drücken: Wer hat dann das Urheberrecht? Was passiert, wenn die Auslösung zum Beispiel durch eine Lichtschranke ausgelöst wird, die von zufällig vorbeilaufenden Passanten ausgelöst wird? Wieviel Zeit darf zwischen Kameraeinrichtung und Auslösung verstreichen, ohne dass das Urheberrecht verwirkt wird? Ist die technisch bedingte Auslöseverzögerung noch tolerierbar? Und wenn ja, ab wann ist die Zeitspanne zu groß? Oder ist das alles Quatsch und eigentlich doch ganz anders?
Als ich mit Fotografieren anfing, wollte ich Fotograf sein. Jetzt wäre ein Jurastudium besser. Aber dann komme ich nicht mehr zum Fotografieren.
Mehr zum Urheberrecht beim DJV, dem Deutschen Journalistenverband.