Lieber Kim Jong Un!
Ich bin keine öffentliche Person, ich bin nicht berühmt und nicht politisch aktiv wie Sie. Ich bin einfach nur ein Bürger dieser Erde, der es gerne noch ein paar Jahrzehnte sein möchte. Doch ich mache mir Sorgen über die Zukunft. Meine Zukunft – sofern es eine gibt –, hat ziemlich direkt mit Ihnen zu tun. Deshalb möchte ich Sie gerne zu mir einladen. Wie das gehen könnte?
Ganz einfach. Sie fliegen mit einem Flieger von sich zu irgendeinem deutschen Flughafen. Ich komme dorthin und hole Sie mit meinem Auto ab. Wir fahren dann als erstes zu mir nach Hause nach Gotha. Das liegt ganz zauberhaft nördlich vom Thüringer Wald, einem Mittelgebirge. Wir trinken dann gemütlich Tee in meinem Wohnzimmer. Dabei können wir uns ganz viel erzählen: Sie von Nordkorea und ich von Deutschland und der Welt.
Ach übrigens: Ich habe einen kleinen Hund mit Namen Anton. Haben Sie vor ihm bitte keine Angst. Er ist ein kleiner Beller, der in seinem kleinen Hundeherzen ein Angsthase ist. Deshalb kläfft er erstmal alle an. Sie kennen das vielleicht. Aber wenn man mit ihm ganz vernünftig umgeht, ist er ein richtig guter Hundefreund, mit dem man viel Spaß haben kann.
Nach dem Tee gehen wir in mein Büro. Ich habe eine schnelle Internetverbindung. Sie können dann nach Herzenslust im Internet surfen. Ich nehme an, dass Sie ganz gut Englisch sprechen können, ich kann nämlich kein Koreanisch. Dann werden Sie auf den englischen Seiten ganz viel über die Welt außerhalb von Nordkorea lesen können. Ich bin sicher, dass sie dabei etliche Überraschungen erleben werden. Bei den deutschen Nachrichtenseiten helfe ich Ihnen, indem ich Ihnen die Kernaussagen übersetze.
Wenn Sie keine Lust mehr auf Internet haben, werden wir ein paar gute Freunde von mir besuchen. Die sind auch alle nicht berühmt, können aber ganz vernünftig und durchaus unterschiedlich über die Welt nachdenken und davon erzählen. Viele sind, wie ich auch, in manche Länder gereist, haben andere Kulturen und Lebensstile erlebt. Wir freuen uns über diese Unterschiede und erleben sie als Bereicherung, nicht als Bedrohung. Jedenfalls den meisten meiner Freunde ergeht es so.
Sie werden dabei bemerken, dass die Unterscheidung von guten und bösen Menschen nicht ausreicht, um die Vielgestaltigkeit der Welt zu verstehen. Imperialisten gegen Kommunisten, Stalinisten gegen Demokraten oder wie auch immer die Polaritäten lauten. Es gibt viele Arten von Demokratie, nicht nur eine. Es gibt viele Formen des Wirtschaftens, des Kunstmachens, der Kulturen, des Lebens und so weiter. Auch die nordkoreanische Art. Doch deshalb müssen Sie nicht alles, was anders ist, bekämpfen. finde ich jedenfalls.
Vielleicht haben Sie Sorge, dass ihre Landsleute keine Lust mehr auf Nordkorea haben, wenn Sie die Grenzen öffnen würden. Sicher werden einige in die Welt aufbrechen und dort ihr Glück suchen. Aber wir in Deutschland haben Erfahrung mit solchem Grenzöffnen. Nach über 20 Jahren Wiedervereinigung kann ich beruhigt sagen: Die meisten Menschen erleben so etwas wie Heimatgefühle und wollen gar nicht weg. Sie wollen nur das Gefühl haben, dass sie jederzeit weggehen könnten, wenn sie denn wollten. Aber meistens wollen sie gar nicht – jedenfalls nicht dauerhaft.
Wohnen könnten Sie bei uns, wir haben ein kleines Gästezimmer. Ich biete Ihnen an, unseren Alltag mit uns zu teilen. Dann bekommen Sie ein realistisches Bild von uns, vom Leben in Deutschland und was wir so denken. Eine Woche sollte genügen. Danach verstehe ich mehr von Nordkorea und Sie wahrscheinlich von uns.
Wenn wir Glück haben, werden wir sogar so etwas wie Freunde. Freunde wollen, dass es dem anderen gut geht. Wenn wir das beide wollen, haben wir eine interessante Zukunft: Sie und ich auch. Mehr will ich gar nicht.
Haben sie Lust auf dieses harmlose Abenteuer? Es kostet Sie nicht viel – und ich sorge dafür, dass Sie hier unerkannt und ganz privat sich umsehen können. Abgemacht?
Mit herzlichen und zuversichtlichen Grüßen
Bernd
Andreas Richter
3. April 2013, 09:35 Uhr
Hallo lieber Bernd,
er kennt auch die westliche Welt und wird dich auch in deiner Muttersprache verstehen können ( Schule in der Schweiz, spricht etwas deutsch ). Dein Brief wäre provozierend und direkt, so würde er sein Gesicht nicht wahren können. Du warst/bist doch auch noch ein Kampfkünstler mit Liebe und Respekt im Herzen und ich denke er würde sich sehr freuen mit dir ein Tee und eine Cola zu trinken ;) Dies ist aber alles nur meine Meinung und die ist wie Schall und Rauch.
Hier mehr Infos auf Wikipedia über ihn: http://de.wikipedia.org/wiki/Kim_Jong-un
Wolfgang
8. April 2013, 00:44 Uhr
Lieber Bernd,
ein schöner Brief. Danke für die Anregung meiner Hirnwindungen.
Ich antworte mal. Es wird aber nix Schlaues rauskommen.
Ich frage mich schon die ganze Zeit, ob Anton wirklich genauso tickt wie Kim Jong Un. Ich habe Anton ( leider nur sehr kurz ) als clever kennen gelernt. Nicht als Beller, sondern als einen Hund, der weiß, wann das Bellen Sinn macht. Und aus der Sicht von Kim Anton ist das Bellen ein wichtiger Teil der Persönlichkeit und seiner funktionierenden sozialen Struktur. Kim Anton weiß, was bellen und beißen unterscheidet. Er weiß aber auch, wenn er jetzt nicht bellt, ist er der Gebissene. Keine Frage – keiner von uns will das elende Hundeleben des Kim Rudels und seiner unterwürfigen Hundemassen – und trotzdem: da gibt es etwas neben dem Despoten. Da gibt es eine wilde Kim Anton Gesellschaft, von der wir nicht viel wissen. Die „Südies“ von Korea verachten jedenfalls die „Nordies“ nicht.
Wir brauchen einen „Hundeflüsterer“ – einen Gorbatschow2.0
Vielleicht sollte Anton lauter bellen!
LG
WoVa