„Können Sie mich mal fotografieren?“ Ich zücke mein Smartphone und schon bin ich fertig: „Na klar, erledigt.“ Der Frager schaut erstaunt. „Nein“, meint er, „so richtig. Ein richtiges Foto.“ Das könne ich auch, entgegne ich. Aber was ist denn ein „richtiges“ Foto?

Der, der mich fragte, war ein guter Freund und Außendienstmitarbeiter. Wofür er denn das Foto verwenden wolle, fragte ich ihn, und welche Geschichte er damit über sich selbst erzählen wolle? Geschichte?

Für meinen Freund war ein Foto einfach etwas, was man mit einer Kamera macht – jedenfalls dann, wenn es ein „richtiges“ Foto werden sollte. Für mich ist ein „richtiges“ Foto das, was genau die Geschichte erzählt, die der Fotografierte gerne über sich erzählen möchte.

Wir haben uns also zusammengesetzt und gemeinsam nachgedacht. Ich habe ganz viele Fragen gestellt, so dass wir am Ende wussten, was er anzieht, welchen Hintergrund wir wählen, ob wir ins Fotostudio gehen oder „on location“, wie ich ihn fotografiere und was er dabei tut. Außerdem haben wir geklärt, in welchem sozialen Netzwerk er das Foto verwenden will, ob es auch gedruckt wird und wenn ja, wo und in welcher Größe.

Das Ergebnis, was wir auf diese Weise schaffen konnten, erzählte genau die Geschichte, die dieser Mitarbeiter seinen Kunden gegenüber zeigen will. Wer dieses Foto sieht, weiß sofort: „Ach, der ist das. Ja, der ist wirklich ein professioneller Berater.“

Das Foto spielt in den sozialen Medien eine zentrale Rolle. Doch wissen manche Unternehmen eigentlich, welche Geschichten ihre so schnell mit dem Handy geschossenen Fotos eigentlich erzählen? Beispiel: Sie sind ein exklusives Restaurant und haben ein Galadinner mit Kerzen und gemütlichem Licht. Stolz veröffentlichen sie ihre mit dem Handy gemachten Bilder: verschwommen (weil zu dunkel), mit vielen schwarzen Stellen (wegen der schwierigen Kontraste), verpixelt und etwas unscharf. Welche „Geschichte“ sieht der Betrachter? Das kann ich Ihnen sagen: „Irgendjemand hat in einem dunklen Raum etwas gegessen, das aber sehr teuer war; sieht aber nicht lecker aus; da bin ich ja froh, dass ich nicht hingegangen bin.“

Mal ehrlich: Wollten Sie diese Geschichte erzählen, lieber Restaurantbetreiber?

Richtig zu fotografieren heißt nicht nur, zum passenden Moment auf den Auslöser zu drücken, sondern eine Situation so zu fotografieren, dass das Foto identisch ist mit dem, was unser lebendiges Auge gesehen hat. Das wird nur dann gelingen, wenn man die komplette Abfolge von Vorklärung, Kamera- und Objektivauswahl, Technikbeherrschung, richtiger Standort, passender Zeitpunkt, Lichtsetzung, angemessene Kommunikation und die komplette Nachbearbeitung kennt und beherrscht.

Fotografen, die so arbeiten, können zuverlässig brauchbare Ergebnisse abliefern. Ihre Fotos sind nicht glückliche Zufälle, sondern das bewusste Ergebnis einer sorgfältigen Planung, gepaart mit Kompetenzen.

Fotografen, die so arbeiten, kosten Geld. Ihre Leistungen bekommt man nicht umsonst. Aber man erwirbt die Gewissheit, mit diesen Fotos genau die Geschichte über sich selbst oder das eigene Unternehmen zu erzählen, die man in der Öffentlichkeit erzählen möchte.

Für mich als Fotograf gibt es also mindestens zwei Ebenen: das Foto – und die zu schaffende Geschichte. Ich nenne das strategische Unternehmenskommunikation. Wir überlegen nämlich vorher, wie diese Fotos wirken sollen, was mit ihnen wem erzählt werden soll und wie wir das umsetzen können. In Wahrheit ist ein Fotograf im schönsten Sinne ein Unternehmensberater.

Mal ehrlich: Haben Sie das gewusst?

 

Fazit: Den Auslöser drücken, das kann jeder. Fotografieren dagegen ist Arbeit.