Wissen Sie, dass Sie mit Physik nicht nur das Universum verstehen und die Erde und die Atome, sondern auch den Menschen und damit sich selbst? Ich nehme jedenfalls mit einer gewissen vorauseilenden Entschlossenheit an, dass Sie zu den Lebewesen gehören, die wir als Mensch zu bezeichnen uns angewöhnt haben und die deshalb mit Erkenntniskräften zumindest grundsätzlich ausgestattet sein sollten. Doch halt, ich gerate auf unnötige Abwege, bleiben wir bei der Physik, also der Wahrheit.

In der letzten Zeit häufen sich Hinweise darauf, dass es eine nicht mehr zu übersehende Gruppe von Menschen gibt, die sich mit Physik nicht wirklich auszukennen scheinen. Die einfachsten Grundbegriffe der Mechanik, die ja ein grundlegendes Thema der Physik ist, sofern es nicht um das ganz Große und das ganz Kleine geht, wie Sie selbstverständlich wissen, sind bei denen durch fundamentalistische Missverständnisse ersetzt worden.

Gehen wir dazu gedanklich doch einfach in die Küche. Da finden Sie ohne langes Suchen viel Mechanik: eine Knoblauchpresse oder eine Spätzlespresse oder eine Fruchtpresse. Oder was auch immer Sie für eine Presse den Tiefen Ihrer Schränke zur Aufbewahrung überlassen haben. So eine Presse ist ein tolles Ding. Knoblauch rein, Presse in Gang setzen, die Mechanik genießen, feinsten Knoblauchsaft erzeugen. Oder eine Orange: halbieren, der Presse übergeben – Gesundheit fördern durch erpressten Saft.

Haben Sie das verstanden? Natürlich, denn Sie sind gebildet und haben im Physikunterricht gut aufgepasst.

Doch nun hat sich eine gedankliche Schlamperei auf den Straßen breitgemacht, die mit Physik nur schwer zu erklären ist. Da laufen Menschen mit Schildern herum, auf denen sie eine ganz andere Art von Presse fordern. „Macht der Mostpresse Druck!“ hätte ich verstanden. Oder „Wer Presse sagt, muss auch Saft wollen!“ Aber nein, sie wollen eine „Lügenpresse“. Sie tragen stolz ihr Schild mit „Lügenpresse“ darauf, weil sie sicherlich hoffen, endlich jemanden zu finden, der ihnen die Sache mit dem Lügenauspressen erklärt.

Diese Sehnsucht soll nicht ungestillt bleiben. Liebe besorgte Träger, möchte ich den Schild-Bürgern zurufen. Auch wenn die Konstruktionszeichnungen einer Lügenpresse wahrscheinlich ziemlich geheim sind, weil sie bislang weder über Leaks noch über Rechts veröffentlicht wurden, so wissen wir zumindest so viel: Wenn Sie eine Lüge auspressen wollen, dann müssen Sie die Lüge unter Druck setzen, so wie Sie eine Orange auspressen, wenn Sie Orangensaft trinken wollen. Wenn Sie die Lüge richtig auspressen, dann trennt sich auf zauberhafte Weise der Lügenrest, also der sogenannte Lügentrester, von der Erkenntnis. Es bleibt der Lügenabfall übrig. Der darf getrost auf den Kompost der Geschichte geworfen werden. Durch den Druck, der am besten durch Geistestätigkeit erzeugt wird, also zum Beispiel durch Recherche, wie es die Journalisten nennen, pressen Sie aus der Lüge die Essenz, also den wahren Inhalt heraus.

Ich gebe zu, dass Geistesdruck zu erzeugen nicht unaufwändig bzw. unaufwendig sein kann. Es ist also nicht jedermanns Sache, weil die meisten Menschen dem Ersten Newtonschen Gesetz unterliegen. Das ist auch wieder Physik. Was dieses Gesetz besagt? Es ist das Trägheitsgesetz. Eine Masse wird also immer versuchen, ihren angestammten Platz nicht zu verlassen. Außer man macht ihr Druck. Also Mechanik, also Presse.

Die Presse wird also benötigt, Druck zu machen, damit die Masse am Ende den Saft der Erkenntnis trinken kann, um ihre Trägheit dereinst zu überwinden. So die Hoffnung, so die Physik.

 

Wir sind multimedial. Deshalb gibt es die Wahrheit über die Lügenpresse auch als Video, aufgeführt bei der Media-Night im Kaisersaal in Erfurt. 

Das Video zum Text.

Peggy Patzschke und Bernd Seydel als Prof. Schulz

Peggy Patzschke und Bernd Seydel als Prof. Schulz