Unter normalen Umständen hätte es kaum jemand bemerkt. Nicht, weil es ein Geheimnis gewesen wäre, sondern einfach nur deswegen, weil es nicht besonders interessant ist. Eine Baugenehmigung in einem Erfurter Gewerbegebiet? Langweilig. Ein Haus mit einem gewölbten Dach? Na ja. Ein Haus mit einem Schornstein oder Turm oder so ähnlich? Wer es braucht. Zwanzig oder dreißig Leute, die da reingehen, oder am Wochenende auch mal achtzig? Das ist wie eine etwas größere Party in einem Wohngebiet. Die wäre einem Außenstehenden auch ziemlich egal. Wo ist also das Problem?
Nun ja, ein Problem ist es in Wahrheit nicht. Es ist einfach nur eine Moschee, die zurzeit geplant wird und irgendwann einmal gebaut werden soll.
Ich wiederhole: Eigentlich ist dieses Bauvorhaben nicht wirklich interessant. Es steht nicht neben dem Erfurter Dom, es wird nicht neben der historischen Krämerbrücke gebaut. Es ist ein reichlich unattraktives Baugrundstück neben einer Bundesstraße, die raus aus Erfurt Richtung Norden führt.
Was ist also bitte das Problem?
In Erfurt gibt es einen Landtagsabgeordneten der AfD namens Björn Höcke. Er war früher Lehrer, bevor er sein Einkommen als Abgeordneter deutlich aufbessern konnte. Nehme ich jedenfalls an. Aber auch das ist kein Problem, denn er ist gewählt worden. Und Lehrer, auch ehemalige, sind nicht blöde.
Letzte Woche aber geschah etwas Irritierendes. Herr Höcke rief eine öffentliche Versammlung in Erfurt ein, weil er seinen Anhängern, also besorgten Bürgern, etwas mitteilen wollte. Nämlich, dass da in einem Industriegebiet eine Moschee gebaut werden soll. Bis dahin war dieser Bauantrag allen ziemlich uninteressant gewesen.
Warum machte Herr Höcke das?
Um diese Frage zu beantworten, bleibt für einen Außenstehenden nicht viel anderes, als den gesunden Menschenverstand in Gang zu setzen. Warum spricht Herr Höcke über etwas ganz Uninteressantes? Wenn man die Moschee gebaut hätte und die paar Hansel – um es salopp auszudrücken – da hineingehen, dann hätte das niemand bemerkt und folglich niemanden gestört und schon gar nicht die Gesellschaft verändert. Die Christen wären weiter in den Dom oder die Severikirche gegangen, die Ungläubigen weiter in eine Kneipe oder einen Sportverein und die meisten wären weiter zu Hause geblieben und hätten alberne Fernsehsendungen angeschaut.
Nachdem Herr Höcke aber 700 gekommenen Bürgern von dem geplanten Moscheebau erzählt hat, ist es ganz anders. Viel lieber hätte er es Zehntausenden erzählt, aber die kamen halt nicht. Wie gesagt, es ist ja nicht wirklich interessant.
Weil Herr Höcke Lehrer war und also nicht blöde sein kann, muss er eine Absicht gehabt haben, davon so engagiert zu reden. Welche kann das sein? Richtig, er wollte, dass das alle wissen. Er wollte, dass alle Menschen endlich erfahren, dass da eine Moschee ist, in die man hineingehen kann, um zu beten oder sonst etwas zu tun. Herr Höcke ist also eigentlich ein ganz erfolgreicher Marketingmann für den Islam. Er hat richtig tolle Pressearbeit für die Moschee gemacht. Er hat allen Muslimen und denen, die es noch werden wollen, erzählt, dass in Erfurt eine Moschee gebaut werden soll.
Herr Höcke will den Islam groß und stark machen, sonst würde er nicht so viel davon erzählen.
Einwand: Er warnt aber doch vor der Islamisierung, wie kann er dann ein Islam-Marketingprofi sein? Ganz einfach: Wenn er sagen würde: „Liebe ängstliche Mitbürger, geht in eine Moschee, die erst noch gebaut werden soll“, dann wäre das eine ziemlich langweile Werbung gewesen. Aber er hat von einem großen Elektronikmarkt gelernt und sagt: „Ihr seid doch nicht blöd“, geht da ja nicht hin. Wie im Märchen, wo man jede Kammer des Schlosses betreten darf, nur eine einzige nicht, weiß Herr Höcke: In diese Kammer will jeder rein. Also erzählt er ganz furchtbare Sachen über die noch gar nicht gebaute Moschee – und plötzlich finden das alle interessant. Alle warten nur, dass endlich der Bau fertig wird, damit sie nachschauen können, was da Geheimnisvolles gemacht wird.
Liebe islamische Gemeinde. Ihr solltet Herrn Höcke wirklich dankbar sein. So viel Werbung, ohne einen Cent dafür zu bezahlen. Herr Höcke ist total auf eurer Seite. Bitte lasst euch nur nicht von dem übrigen Wortgeklingel erschrecken. Ihr müsst jetzt nur schauen, dass ihr immer im Gespräch bleibt. Wenn ihr mal nicht weiterwisst, dann erzählt doch einfach Herrn Höcke, dass ihr die Moschee auf dem Domplatz bauen wollt. Da sei noch eine Menge Platz. Auch für seine 700 Mitbürger, die ihm so gerne zuhören.