Als Kind dachte ich immer, Strom kommt aus der Steckdose. Nachdem ich meine erste Studentenbude bezogen hatte und die erste Rechnung vom Stromanbieter bezahlen musste, verlor ich meine Unschuld. Strom kostet Geld.
Der zweite Lernschritt kam, als ich auf die Straße ging, um mit Gleichgesinnten gegen die Kernkraft zu demonstrieren. Das war, als meine Kinder nicht mehr im Sandkasten spielen durften, weil in Tschernobyl ein Reaktor außer Kontrolle geraten war. Ich fragte nach alternativen Möglichkeiten der Stromerzeugung.
Wenn ich durch Deutschland fahre und sehe, an wie vielen Stellen riesige Windräder die Landschaft verschandeln, träume ich von Solarstrom. Oder vielleicht doch gleich von kontrollierter Kernfusion? Haben meine Sehnsüchte vielleicht ein System?
Jetzt wünschen sich alle Menschen Elektroautos. Die Kanzlerin will 1 Million in den nächsten zehn Jahren auf deutschen Straßen sehen. toll – kein Benzingestank mehr, keine aufheulenden Motoren.
War das schon alles? Retten Elektroautos die mobile Welt?
Liebe Physiker, das glaubt weder ihr noch ich, oder? Aber für meine Beruhigung brauche ich eure Mithilfe und Rechenkünste.
Wenn 1 Million Elektroautos in Deutschland fahren, wie viel Strom wird dafür täglich gebraucht? Da das nur ungefähr 2 % aller Autos sind, was würde passieren, wenn 30 % der Autos Elektroautos wären? Wie viele Windräder, Sonnenkollektorflächen, Atomkraftwerke oder Braunkohlenkraftwerke werden mehr gebraucht? Was ist mit der elektrischen Infrastruktur, also Elektromasten, Überlandleitungen, Umspannwerke und so weiter? Was kostet uns das Elektroauto wirklich?
Marek
3. Mai 2010, 20:02 Uhr
Ein weiterer Aspekt des Elektroautos, der mal hinterfragt werden müsste, ist die Umweltschonung, die immer wieder als ein zentrales Argument pro Elektro-Mobilität angeführt wird. Solange jedoch Urlaubsfahrten oder gar Wochenendausflüge mangels Reichweite nicht per Elektroauto realisierbar sind, werden diese ihre Daseinsberechtigung nur im Bereich der Innerhalb-der-Stadt-Pendler finden. Das „Familienauto“ wird dadurch nicht ersetzt, sondern höchstens ergänzt. Nur wer jetzt schon einen Zweitwagen für die täglichen 20 Kilometer zur Arbeit einsetzt, wird ernsthaft über ein Elektroauto nachdenken können. Und das ist sicher nicht die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung. Für den Rest lohnt sich ein Auto einfach nicht, welches alle 150 km für einen ganzen Tag an die Steckdose muss. Was machen außerdem die Laternen- und Stellplatzparker ohne eigene steckdosenbestückte Garage? Die dürften als Zielgruppe auch wegfallen.
Was heißt das? Diese Elektroautos werden also einen ziemlich geringen Anteil derjenigen Klein- und Kleinstwagen ersetzen, die heute sowieso schon durch Sparsamkeit und Ressourcenschonung mangels Größe glänzen. Kein Porsche-Cayenne- oder Audi-Q7-Fahrer wird sein dieselfressendes PS-Monster gegen einen Elektrofloh eintauschen, daran ändern auch die Subventionen nichts. Vielleicht steigt ja der ein oder andere vom Benziner- auf den Elektro-Smart um. Doch wo bleibt dann der große Umweltschonungseffekt?
Bernd Seydel
3. Mai 2010, 20:37 Uhr
In der FAZ fand ich heute unter Der lange Hürdenlauf zum Elektroauto einen interessanten Artikel zum Thema Elektroautos. Zwar wird da das Thema Gesamtkosten bzw. Elektroinfrastruktur nicht behandelt, aber die Tendenz ist klar: Ein Massenauto wird es wohl nicht werden.
Gegenfrage: Warum aber tuten alle in das Horn „Wir wollen ein Elektroauto?“
Wolfgang Diabolo
4. Mai 2010, 11:21 Uhr
Elektroautos sind genauso wenig sinnvoll, hilfreich, mobilitätssteigernd bzw. gut oder schlecht wie andere Autos auch. Es sind doch nur Produkte auf einem Markt. Und wenn der Markt für Benziner nix mehr hergibt, dann gibt’s eben einen neuen Hype.
Das alles ist notwendig, damit die Besitz und Verteilungsstrukturen in unserer globalen Welt halbwegs verlässlich und stabil bleiben.
Die Frage, ob das ökologisch sinnvoll ist, unterstellt, dass Ökologie ein Antrieb für Produktion im Markt sei. Das ist so sicher nicht der Fall. Ökologie ist die Metapher für Überleben von denen, die doch einfach eine Zukunft für sich und ihre Familien wollen und eigentlich nur überleben wollen. Die, die den Markt steuern und befeuern, leben nicht in unserem Dreck. Für die ist Ökologie nur ein Marketinginstrument.
Elektroautos sind nötig – wir brauchen Produktion, neue Produkte – neudeutsch Innovationen – damit wir Arbeit haben. Und ob das zu einer Verschandelung der Landschaft durch Strommasten und Windkraft etc. führt ist eigentlich auch falsch gefragt. Jeder dreiblättrige Rotationsspargel stört doch nur den, der sich vor 200 Jahren auch über die hässlichen und lauten Windmühlen zum Mahlen von Getreide aufgeregt hätte.
Also – kauft, konsumiert und nennt das Leben!
Alexander Dauensteiner
7. Mai 2010, 21:10 Uhr
Die alles entscheidende Frage ist in der Tat woher der Strom kommt. Elektroautos machen nur dann Sinn, wenn der Strom dafür aus regenerativen Energien bereitgestellt wird. In meiner ehrenamtlichen Arbeit als Kritischer Aktionär bei Daimler (www.kritischeaktionaere.de) habe ich das stets von den Konzernen eingefordert. Dieter Zetsche hat auf der Hauptversammlung der Daimler AG im vergangenen Jahr zugesichert, dass dies in den Verträgen auch so geregelt sei. Ob man dem Glauben schenkt, ist eine andere Frage (ich tue es nicht).
Beispiel: Greenpeace hat errechnet, dass ein mit Vattenfall-Strom betriebener Mini für einen CO2-Ausstoß von umgerechnet 133,5 Gramm CO2 sorgt (mein 3er BMW hat heute schon einen wesentlich geringeren CO2-Ausstoß). Der Elektro-Smart von Daimler hat mit RWE-Strom sogar einen höheren CO2-Ausstoß als das gleiche, aber mit Diesel betankte Modell.
Fest steht, dass der Hype um Elektroautos aus meiner Sicht mindestens folgende Gründe hat:
1. Wir Deutschen sind Meister darin, Zeit dadurch zu gewinnen, eine – vermeintlich – allerseligmachende Lösung in die ferne Zukunft zu schreiben, die uns davon abhält, hier und heute mit bereits vorhandenen Lösungen die Probleme tatsächlich anzugehen. Man schenkt den Brückentechnologien deutlich zu wenig Beachtung. Hauptziel dieser „Strategie“: Bewahrung des Status Quo.
2. Die Energieversorgungsunternehmen, die sich massiv um den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur mit Elektromobilität engagieren, kämpfen um Milliardenschwere Zukunftsmärkte
3. Bereits heute ist mit den gesetzgebenden Institutionen festgelegt, dass Elektroautos überdurchschnittlich positiv bei der Berechnung des Flottenverbrauchs der Fahrzeughersteller berücksichtigt werden (unabhängig davon, woher der Strom kommt!). Da ab 2012 verbindliche Flottenverbrauchswerte der EU (und ab 2015 mit Strafabgaben versehen) gelten, ist die Reduzierung des Flottenverbrauchs eine wesentliche Herausforderung.
Falls tatsächlich einmal Millionen Pkw als Elektroautos unterwegs sein sollten, stellt das die dafür notwendige Infrastruktur (allesamt netzgebunden und damit einer natürlichen Grenze ausgesetzt) vor erhebliche Herausforderungen.
Letzte Anmerkung: alle Szenarien, die heute davon ausgehen, dass die Versorgung mit erneuerbarer Energie erfolgt, legen keinerlei Rechnungen zugrunde, ob und wie der dafür erforderliche Ausbau der Erzeugerkapazitäten parallel erfolgen wird. Haushalte, Industrie, Wasserstoffwirtschaft, Elektromobilität – sie alle gehen von einer ausreichenden Versorgung mit sauberem Strom aus.
Elektroautos werden kommen, aber der Hype wird schnell wieder verfliegen. Leichtere Autos, neue Mobilitätskonzepte, noch sparsamere Benzin- und Dieselmotoren (These: es wird keine 2 Jahre mehr dauern bis ein 3er BMW unter 4 Liter/100 km verbraucht) stehen in direktem Wettbewerb mit der heute so hoch gelobten Elektromobilität.