Nein, aber ich kandidiere trotzdem für den Stadtrat in Gotha. Auf Liste 7, Platz 17 von insgesamt 36. Warum gerade 36? Weil der Stadtrat Gotha 36 Stadträte hat. Wenn man die Liste 7 komplett wählen würde, brauchte man gar keine anderen Parteimitglieder mehr zu wählen. Und das geht? Nun ja, theoretisch schon. Ehrlich?

Die Entscheidung, in einer so bunten Liste anzutreten, wie es die „Liste 7“ ist, ist mir leichtgefallen. Einige von diesen Menschen kannte ich schon vorher recht gut, andere nur flüchtig, einige gar nicht.  In den vorbereitenden Treffen gab es neue Begegnungen, andere blieben kurze Eindrücke. So wie im normalen Leben auch. Menschen, mit denen ich gar nichts hätte zu tun haben wollen, waren nicht dabei. Das ist doch schon mal eine gute Basis für Zusammenarbeit.

Die Rechte eines Stadtrats sind einerseits nicht unerheblich. Wichtige und auch finanzwirksame Entscheidungen kann nur der Stadtrat beschließen. Der Oberbürgermeister und die Verwaltung haben zwar Spielräume, aber sie werden durch den Stadtrat kontrolliert. So ist der Plan. In der jetzt zu Ende gehenden Legislaturperiode hatte die Freie Wählergemeinschaft Gotha (juristisch gesehen ein Verein) drei Sitze, die Piratenpartei zwei. An manchen Stellen war man gleicher Meinung und sagte das auch. Aber bei Abstimmungen ergab das nur insgesamt fünf von 36 Stimmen – Widerstand funktioniert deshalb auf diesem Wege nicht wirklich.

Am 26.5.2019 wird der Stadtrat neu gewählt. Freie Wähler und Piraten schlossen sich dafür zusammen, außerdem noch eine ganze Reihe von Menschen, die weder das eine noch das andere waren, sondern parteilos. Es ist ein ziemlich gemischter Haufen geworden, das mag ich. Ich bin jetzt einer von ihnen.

Wir haben gelernt, miteinander nachzudenken, Lösungen zu entwickeln und Vorhaben umzusetzen. Die Wahlkampfmittel (z.B. Plakate, Flyer, Karten für die Kandidaten, Bauzaunplakate) standen anfangs im Mittelpunkt, genauso wie die Formulierung eines gemeinsamen Wahlprogramms. Das ist alles nicht selbstverständlich, es braucht Zeit, die dann für Familie, Beruf oder andere Interessen fehlt.

Warum engagieren sich Bürger einer Stadt für solch ein Gremium? Weil sie Lust darauf haben mitzugestalten. Wie groß unser Einfluss am Ende wirklich ist, wissen wir noch nicht. Aber es gibt eine ganze Reihe von Vorteilen, die unsere bunte Gemeinschaft hat. Wir haben viele, die sich in bestimmten Bereichen sehr gut auskennen. Dazu solche, die immer neue Ideen entwickeln, unkonventionell denken – was auch manchmal anstrengend ist, – und die wissen, wie man öffentlich wahrgenommen wird. Außerdem gehören sie zu keinen bestehenden Beziehungsgeflechten, die parteiübergreifend dafür sorgen, dass bestimmte Entscheidungen in Gotha nicht so transparent diskutiert werden, wie es notwendig wäre. Ich möchte nicht gleich von sogenannter Vetternwirtschaft reden, das stünde mir nicht zu, aber so ganz weit weg davon ist es nicht.

Unsere bunte Liste ist für mich eine Gemeinschaft, die auf unterster Ebene Demokratie übt. Wir lernen, mit unterschiedlichen Meinungen umzugehen, daraus gemeinsame Lösungen zu entwickeln, uns zu respektieren und die Stärken der verschiedenen Menschen zu nutzen. Das funktioniert erstaunlich gut. Fazit: Demokratie macht Mühe, braucht Zeit und Einsatz. Als Belohnung lebe ich in einer Stadt, von der ich sagen kann: Daran habe ich ein ganz klein wenig mitgewirkt.

Am 26. Mai wird gewählt. Dann werden die Bürger von Gotha entscheiden, ob sie Lust auf unsere Art von transparenter Demokratie haben oder nicht.

Unsere gemeinsame Internetseite findet man hier.