Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte. Diese Behauptung wird vielfältig wiederholt – und ist doch falsch zugleich. Es gibt durchaus Bilder, die sind so unsäglich nichtssagend, dass schon drei Worte mehr sagen als eben jene. Die meisten Bilder – insbesondere im Internet und in den sozialen Kanälen – sind so.

Für diesen Satz mit den 1000 Worten gibt es noch eine Steigerung: Fotos und eine dazu verfasste Bildunterschrift bzw. Erläuterung.

Dieses Gespannt öffnet leicht neue Welten. Eine passende, aussagekräftige Bildunterzeile ordnet das Foto ein, benennt den dargestellten Sachverhalt und die abgebildeten Personen. So kennen wir das aus den allermeisten Medien. Dem Betrachter-Leser erschließt sich das Gezeigte klar und anschaulich. Wenn das Foto von einem guten Fotografen aufgenommen wurde, stimmt nicht nur das fotografisch Handwerkliche, sondern es erzählt durch seine Darstellungsart eine eigene, vielleicht sogar berührende oder erkenntnisschaffende Geschichte.

Dieses Text-Bild-Gespann kann aber auch zur Quelle böser Falschdarstellungen werden. Fake-News, wie sie meistens vorsätzlich in den sozialen Medien verbreitet werden, nutzen genau diesen Mechanismus: Bild und Text passen nur scheinbar zusammen.

Aber funktioniert das wirklich so einfach? Ja – ich gebe mal ein Beispiel:

Alarmierender Wassernotstand im Kreis Gotha

Seit Wochen ausbleibender Regen stellt die regionale Wasserversorgung vor allergrößte Probleme. Da die Wasserversorger offenbar nicht rechtzeitig Krisenvorbereitungen getroffen haben, muss mit einer dramatischen Unterversorgung von Trinkwasser gerechnet werden. Die Bevölkerung sollte, darin sind sich die Experten weitgehend einig, unbedingt größere Wasservorräte in Form von Mineralwasser bei sich zu Hause anlegen.

Wo sich früher eine gutgefüllte Talsperre befand, gibt es heute nur noch ein schwaches Rinnsal. Selbst kurze Regenfälle haben an der Situation nichts ändern können.

An einigen Stellen kann man inzwischen sogar die alten Fundamente sehen, die beim Talsperrenbau zurückgeblieben waren.

Wie dramatisch sich die Situation entwickelt, sieht man an einigen Stellen, die durchaus an die extremen Dürrezonen erinnern, die wir eigentlich nur aus Äquatorregionen kennen.

Von der Dürre sind inzwischen auch Wälder und Parks betroffen. Der bei den Bürgerinnen und Bürgern sehr beliebte Schlosspark in Gotha wurde inzwischen komplett für die Bevölkerung gesperrt.

Während die Laubbäume größtenteils verdorrt sind, zeigen die Nadelbäume noch vereinzeltes Grün. Die Parkverwaltung wies ausdrücklich darauf hin, dass das Betreten des Schlossparks lebensbedrohlich sein könnte.

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Spüren sie etwas von der Dramatik der Lage? Die Fotos sind jedenfalls eindeutig, der Text fasst die Probleme klar und verständlich zusammen. Ja, wir haben hier ein ganz großes Problem. Leute – kauft Mineralwasser.

Jetzt erzähle ich ihnen die Wahrheit: Alle zwei Jahre wird der Teich im Gothaer Schlosspark den Winter über abgelassen und im Frühjahr neu gefüllt. Wählt man den Bildausschnitt knapp genug, sieht man keine Umgebung mehr, kann also das Foto nicht mehr einordnen. Das Foto mit den großen Rissen im Boden sieht im Original weitaus harmloser aus. Aber wenn man es etwas gelber macht, sieht es aus wie eine ausgedörrte südliche Landschaft. Dafür braucht man höchstens 30 Sekunden.

So sieht die wirkliche Situation aus (in der Reihenfolge wie zuvor):

Diese Bilder zeigen eine völlig intakte Parklandschaft zum Ausgang des Winters mit noch wenigen Anzeichen für den kommenden Frühling. Der abgelassene Teich ist normal. Er wird im Laufe des Aprils wieder aufgefüllt.

Was aber ist mit der Absperrung? Darf man den Park betreten? Aber sicher. Als Fotograf habe ich mich so positioniert, dass das Auto den Durchgang verdeckt. Die Absperrung dient nur dazu, die Besucher vor der maroden Treppe zu beschützen. Zwei abgesenkte Stufen warten auf ihre Erneuerung, was sicherlich zeitnah passieren wird.

Menschen reagieren stark auf Bilder. Wenn der Text die Bilder noch verstärkt, wird jeder Zweifel zurückgedrängt: „Ich habe es doch gesehen. Da war ein Foto“, sagt es sich dann so leicht.

Verantwortliche Journalistinnen und Journalisten kennen dieses Prinzip. Sie werden so etwas nicht tun, denn sie wissen, dass es verantwortungslos ist. Aber leider müssen wir feststellen, dass es zunehmend – insbesondere im Internet – Kanäle gibt, die vorsätzlich Falschinformationen erzeugen. Sie wollen Verwirrung und Unsicherheit stiften, die Glaubwürdigkeit des Journalismus insgesamt in Frage stellen. Die Gründe dafür sind vielfältig. Propagandakanäle insbesondere mit russischer oder chinesischer Unterstützung wollen die westliche Welt destabilisieren, um selbst mehr Macht zu bekommen. Bestimmte Gruppierungen in unserer Gesellschaft nutzen Desinformation, um Ängste zu schüren und sich dann mit eigenen Patentlösungen leichter etablieren zu können. Rechte Parteien, die AfD, Querdenker und ähnliche Gruppierungen machen das inzwischen systematisch.

Fazit:

Jedes Foto ist ein Ausschnitt der Realität. Lügen durch Weglassen geht also ganz einfach. Wenn ich dann noch einen passenden Text erfinde, klingt es schon fast überzeugend.

Aus diesem Grund ist es immer wichtig zu fragen: Wer hat dieses Foto aufgenommen, also wie heißt der Fotograf? Bei Rückfragen könnte ich mich an ihn wenden. Wann und wo wurde es aufgenommen? Stimmen Foto und Text überein? Gibt es Fotos von anderen Fotografen, die den Sachverhalt aus einer anderen Perspektive zeigen? Die Google-Bildersuche oder ähnliche Datenbanken sind dafür eine große Hilfe.

Manchmal hilft uns unser Bauchgefühl. Irgendetwas in uns sagt: Da stimmt etwas nicht. Gehen sie diesem Gefühl nach. Fast immer wird man sehr schnell fündig und kann entscheiden: Lügt das Foto oder ist es zuverlässig.